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01. September 2023

Glücksspiel kann süchtig machen, aber auch steuerpflichtig?

Poker ist ein Kartenspiel, das man unter Geldeinsatz sowohl in Casinos und ähnlichen Orten präsent oder auf Internetseiten online spielen kann. Kann man ein Spiel für sich entscheiden, stehen einem teilweise hohe Geldgewinne zu.

Ob die Gewinne steuerliche Relevanz bekommen, hängt davon ab, ob sie einer Einkunftsart zugeordnet werden können. Von den sieben Einkunftsarten, die das Einkommensteuergesetz kennt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 EStG), kommt hierfür nur eine in Frage - die Einkunftsart des Gewerbebetriebs. Diese Einkünfte sind im § 15 EStG genauer geregelt. Um Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu beziehen, müssen die folgenden Voraussetzungen (sogenannte Tatbestandsmerkmale) erfüllt sein:

  • selbständige Betätigung,
  • nachhaltige Betätigung,
  • Gewinnerzielungsabsicht
  • Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Markt
  • weder Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft noch aus selbständiger Arbeit,
  • Überschreitung der bloßen Vermögensverwaltung.

Dass ein Pokerspieler selbständig tätig ist und keine Land- und Forstwirtschaft oder selbständige Arbeit betreibt, ist mit der steuerlichen Brille betrachtet eindeutig. Auch die Absicht, durch das Spiel Gewinne zu erzielen statt Verlusten, ist unstreitig vorhanden.

Fraglich ist vielmehr, ob ein Pokerspieler die übrigen Voraussetzungen erfüllt, sodass die Gewinne aus seiner Spielertätigkeit als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren und damit der Besteuerung zu unterwerfen sind.

Mit diesen Fragestellungen beschäftigte sich der Bundesfinanzhof (BFH) bereits in mehreren gerichtlichen Verfahren, zuletzt mit Urteil vom 22.02.2023 (031/23 Urteil vom 22.02.2023 X R 8/21).

In diesem Verfahren ging es um einen Pokerspieler (Kläger), der 2007 mit dem Online-Pokerspiel begonnen hatte und diese Spielertätigkeit in den darauffolgenden Jahren stetig ausweitete. Allein 2009 erzielte er einen Gewinn von 80.000 €, wobei er in den Monaten Juli bis Dezember 2009 insgesamt 673 Stunden in die Spielzeit investiert hat.

In der Entscheidungsbegründung ging der BFH unter Bezugnahme auf seine vorherige Rechtsprechung zu diesem Thema auf die einzelnen strittigen Tatbestandsmerkmale der Einkunftsart Gewerbebetrieb ein.

Die Nachhaltigkeit der Betätigung muss im Einzelfall ermittelt und beurteilt werden. Sie ist immer dann gegeben, wenn eine Tätigkeit mit der Absicht ausgeübt wird, sie zu wiederholen und sich daraus eine Erwerbstätigkeit zu erschließen. Geht jemand z. B. drei Mal die Woche joggen, ohne hierfür eine Gegenleistung von einer dritten Person zu erhalten, geht er der Sportart Laufen zwar mit Wiederholungsabsicht nach, mangels Gegenleistung jedoch nicht mit der Absicht, sich diese Betätigung als Erwerbsquelle zu erschließen. Hierdurch wird also keine Einkommensteuerpflicht ausgelöst.

Der Kläger des BFH-Verfahrens nahm zwischen 2009 und 2013 an über 784.000 Spielen teil und investierte über 5.500 Stunden. In Anbetracht dieser Zahlen ist nach der Rechtsprechung des BFH von einer Tätigkeit mit Wiederholungsabsicht auszugehen.

Die vom Pokerspieler erzielten Jahresgewinne lagen in diesem Zeitraum zwischen ca. 80.000 € und 730.000 €. Die Höhe der Gewinne zeigt, dass die Tätigkeit als Pokerspieler dazu geeignet ist, sie sich als Erwerbsquelle zu erschließen. Der BFH gab in der Urteilsbegründung einen entscheidenden Hinweis darauf, dass es ausreichend ist, dass man von dieser Erwerbsquelle seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Ob man die Geldmittel tatsächlich hierfür verwendet oder sie nur als Kapital anspart, ist für die einkommensteuerliche Beurteilung irrelevant.

Der Hinweis steht im Zusammenhang mit dem einkommensteuerlichen Prinzip der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit. Stark vereinfacht besagt dieses Prinzip, dass je höher die Einkünfte eines Steuerpflichtigen sind, desto leistungsfähiger ist er und desto höher kann er mit Einkommensteuer belastet werden. Wie der Steuerpflichtige die Mittel aus der Einkunftserzielung verwendet, ob er sie vollständig konsumiert, anspart oder reinvestiert, hat auf die steuerliche Leistungsfähigkeit keine Auswirkung und muss daher außer Acht gelassen werden.

 

Weiterhin muss die Tätigkeit unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Markt erfolgen. Dieses Merkmal bestimmt sich durch das Engagement, am Austausch von Leistungen und Gütern teilzunehmen. Poker ist nach gerichtlicher Feststellung nicht ausschließlich durch eine Glückskomponente geprägt. Der Spielverlauf wird vielmehr auch durch das Wissen und Geschick der einzelnen Spieler geprägt und bestimmt. Die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Markt kann deshalb nicht deswegen ausgeschlossen werden, weil es sich bei Poker um ein Glücksspiel handele, so der BFH.

Die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Markt wurde für Pokerspiele im Rahmen von Präsenzturnieren durch den BFH bereits bestätigt (BFHE 251, 37, BStBl II 2016, 48, Rz 17 ff. und vom 07.11.2018 – X R 34/16, BFH/NV 2019,686, Rz 21 ff.).

Online-Turniere unterscheiden sich von den Präsenzveranstaltungen im Wesentlichen darin, dass die Teilnehmer nicht öffentlich auftreten und ihre Leistung präsentieren. Daher kann in der steuerlichen Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmals nicht von dem einen Fall auf den anderen geschlossen werden. Doch auch für Online-Veranstaltungen erkannte der BFH die Teilnahme am wirtschaftlichen Markt an. Er führte hierzu aus, dass der Spieler durch die Teilnahme an den Online-Spielen seine Leistung den anderen Pokerspielern angeboten hat und die Zusage gab, seinen Geldeinsatz im Spiel zu erbringen. Zudem ist er durch die Annahme der Teilnahmebedingungen des Portalbetreibers auch mit diesem in eine Beziehung getreten, die zu einer Teilnahme am Markt führt. Hierfür spricht, dass er sich bewusst und zielgerichtet den Markt des Online-Pokers gesucht, erschlossen und ausgebaut hat. In diesen beiden Punkten wird das Tatbestandsmerkmal durch die Absicht des Leistungs- und Gütertauschs erfüllt.

 

Interessant wird es in der Fragestellung der Überschreitung der bloßen Vermögensverwaltung. In diesem Punkt unterscheiden sich Pokerspieler, die das Spiel als Hobby und Freizeitgestaltung betreiben, von denen, die das Pokern als Gewerbetreibende, sogenannte Berufsspieler, ausüben. Bei Berufsspielern tritt die Befriedigung persönlicher Spielneigungen und -bedürfnisse in den Hintergrund, gewerbliche Entscheidungsgründe treten in den Vordergrund. Hier sind besonders das Kapital und die Zeit, die in das Spiel investiert werden, als Indizien heranzuziehen, um dieses subjektive Merkmal beurteilen zu können. Die Teilnahme an Spielen und Turnieren wird dann durch betriebliche Überlegungen, wie zum Beispiel Verlustrisiko, notwendiges Investment oder die zu erwartende Gewinnrate, ausgewählt und nicht durch persönliche Empfindungen, ob die Plattform als ansprechend oder die Mitspieler als sympathisch empfunden werden.

In dem zu entscheidenden Fall ist der BFH zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vermögensverwaltung durch die Höhe der Einsätze, die Anzahl der Spiele und den investierten Zeitaufwand überschritten wurde.

Nach Gesamtwürdigung des Einzelfalls ist der BFH zu dem Ergebnis gekommen, dass der klagende Pokerspieler der Einkommensteuer und durch die Gewerblichkeit der Einkünfte auch der Gewerbesteuer unterliegt.

Durch die Rechtsprechung wird nicht jeder, der Poker spielt, mit seinen Gewinnen der Einkommensteuer unterliegen. Auch die Nutzung von Verlusten aus dem Pokerspiel wird hierdurch nicht standardisiert zugelassen. Gleichwohl sollte das Urteil zur Sensibilisierung anregen, um genauer hinzuschauen und zu prüfen, ob man mit der einen oder anderen Tätigkeit doch der Steuerpflicht unterliegen könnte.

Im Zweifelsfall ist guter Rat günstiger als durch Unwissenheit nicht erklärte steuerpflichtige Einkünfte vor der Finanzverwaltung rechtfertigen zu müssen.

© 2022 Unigarant GmbH Steuerberatungsgesellschaft

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